Elektro-Sta(a)ten: Koss ESP 950 Kopfhörer



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Briten wollen zu allen Frequenzen fair sein, Deutsche wollen viele Höhen und Tiefen und die Amis wollen von allem zu viel, lautet ein gängiger Spruch über audiophile Vorlieben. Dass der Kopfhörer-Spezialist Koss gleichfalls aus den 50-Sterne Staaten kommt, scheint manchem dabei durchzurutschen. Macht aber nichts, denn so bleibt mehr Raum für Überraschungen. Eine davon ist der Koss ESP 950, ein elektrostatischer Kopfhörer für beeindruckende 1.320 Euro, immerhin brutto. Ob er seinen Preis wert ist, soll unser Test klären.

Lieferumfang

Koss liefert seine Elektrostaten nebst umfangreichem Zubehör in einer Kunstledertasche. Der Formfaktor liegt in der Nähe eines 0,33-er Sechserpacks, allerdings mit Seitentaschen. In der Haupttasche finden sich

  • die beiden Lautsprecher
  • der Kopfbügel
  • ein Spezialverstärker
  • ein Verlängerungskabel für den Kopfhörer
  • ein Anschlusskabel 3,5 mm Stereoklinke auf 3,5 mm Stereoklinke
  • ein Anschlusskabel 3,5 mm Stereoklinke auf Stereo-Cinch
  • ein Anschlusskabel Stereo-Cinch auf Stereo-Cinch
  • ein Netzteil und
  • ein Batteriebehälter.

Das ist ein ordentliches Paket und nimmt auf dem Tisch ausgebreitet schon etwas Platz weg. Rein mengenmäßig lohnt der Kauf somit – obwohl, darum geht es höchstens in zweier Linie.

Der Lieferumfang des elektrostatischen Kopfhörers Koss ESP 950 ist umfangreich 

Der Lieferumfang des elektrostatischen Kopfhörers Koss ESP 950 ist umfangreich

Anmutung & mechanische Qualität

Wer mit einer vierstelligen Summe in die Ladenregale geht, sollte haptisch das Gefühl von wertvoll vermitteln. Edles Leder, ein bisschen Metall, fester Kunststoff – das sind Standards, die Kunden schon bei weit günstigeren Kopfhörern geliefert bekommen und normaler Weise erwarten. Koss gibt sich hier entspannt:

Die Steuereinheit ist in einer Plastikdose beheimatet, die Erinnerungen an den Conrad-Katalog weckt und bei der einer der Gummifüße versetzt zu seiner leicht vertieften Aufnahme aufgeklebt war, so dass die Einheit wackelte, bis der Fehler korrigiert war.

Die Kopfhörerbügel sind weich und dick gepolstert, der Schaumstoff ist mit Kunstleder überzogen. Die Aufnahme für die Lautsprecher hält diese fest und macht einen haltbaren Eindruck. In ihrem Inneren haben die Bügel keine Rastung für die Positionierung der Ohrhörer, geben diesen dennoch genug Halt.

Auch die Schallwandler selbst geben sich eher einfach in ihrer Anmutung. Das Kunstleder verströmt den Duft petrochemischen Wunderwerks und die Gehäuse sind aus dem selben Kunststoff wie der Bügel gefertigt. Von außen sind die Schallwandler mit Kunststoffrippen und einem darin passgenau eingearbeiteten Metallgitter geschützt. Diese offene und leichte Bauweise hat ihren Grund, der sich spätestens beim Aufsetzen offenbart.

Die 5-adrigen Flachkabel, die mit Signalversorgung des Elektrostaten betraut sind, wählt Koss solide aus: Stabil, flexibel und wertig sind sie, und das tröstet.
Die Anschlusskabel von der Schallquelle zur Steuereinheit sind dagegen spartanisch. Solche Simplizität trauen sich selbst günstige HiFi-Hersteller kaum noch. Allerdings – am Ende zählen nicht primär Haptik und die Optik, sondern der Klang, und da passen die Kabel durchaus, wie sich zeigen wird.

Bastelstunde und Tragekomfort

Um die Koss aufsetzen zu können, müssen die beiden Lautsprecher zuerst aus der Tasche genommen und in den Überkopfbügel eingerastet werden. Double-Plug -and- Play, sozusagen. Anschließend folgt der erste Tragetest und schon da glänzen die Koss: Sie sind dank Leichtbau sehr unauffällig. Ähnlich wie die Koss Porta Pro sitzen sie eher locker auf den Ohren, drücken nicht von der Seite und auch nicht von oben, da der Überkopfbügel dick und zugleich weich gepolstert ist. Sie machen sich kaum als anwesend bemerkbar, was auf lange Stunden Musikgenuss hoffen lässt.

Anschluss

Doch vor dem Genuss ist stets die Arbeit. Bei den Koss ESP 950 erweist sich diese als etwas umfangreicher – den hoffnungsvollen Nutzer erwartet ein kabeltechnischer Dreisprung rund um den Koss-Kopfhörer-Verstärker:

  1. Den Elektrostaten anschließen,
  2. die Schallquelle anbinden,
  3. und das Netzteil einstecken und mit Strom versorgen.

Für den Test wurde der Koss-Verstärker an einen Cambridge Audio DacMagic Plus angebunden, der wiederum über USB von Audirvana Plus 2 direkt aus dem Mac mini versorgt wurde. Sind damit alle Strippen gezogen? Dann kann es ja los gehen!

Regelwerk

Um unliebsame Überraschungen zu vermeiden, empfiehlt Koss, die Lautstärkeregelung zuerst gänzlich auf Null zu drehen. Die charmante Entdeckung dabei: Es gibt nicht einen, sondern zwei Lautstärkeregler – einen für links und einen für rechts. Damit lässt sich die Balance sehr fein austarieren, was je nach Album durchaus ein Gewinn sein kann, wie der Hörtest zeigt.

Federleicht in jeder Beziehung: Der Koss ESP wiegt wenig und klingt sehr luftig und klar 

Federleicht in jeder Beziehung: Der Koss ESP wiegt wenig und klingt sehr luftig und klar

Klang

Elektrostaten geben Musik authentisch und unverfälscht wieder, heißt es. Das stimmt natürlich nur, wenn die Bauweise und die verwendeten Materialien der Technologie kein Schnippchen schlagen. Hier scheint Koss gut gewählt zu haben: Der Leichtbau und die offene Konstruktion erlauben den Koss ESP 950 eine bezaubernde Klangentfaltung.

Was sofort auffällt sind die sehr luftigen Höhen und Mitten. Die Musik ist durchgängig über alle Genre sehr transparent, fast schon transluzent. Die Details sind zahlreich, im Vergleich zu konventionellen Kopfhörern wirken sie fast schon überbordend.

Insbesondere akustische Instrumente und Stimmen sind sehr natürlich gezeichnet und alles wirkt äußerst harmonisch und zugleich präzise. Das liegt auch daran, dass die Elektrostaten extrem schnell sind – so schnell, dass bei Rock, hart gespielter Perkussion und knallig geklimperten Klavier der Attack so hart sein kann, dass er für Momente unangenehm dominiert.

Bleibt noch die Bühne: Sie gestalten die ESP 950 geräumig und aufgeräumt. Schallquellen sind sehr gut zu orten und sogar Pianoläufe sind im instrumentellen Gewusel Hammerkopf für Hammerkopf klar zu hören und zu lokalisieren. Die Staffelung der jeweiligen Aufnahme unterstützen die Koss mit ihrer transparenten Grundhaltung ausnahmslos und als Gewinn. Wobei auch hier die Einschränkung gemacht werden muss, dass Rockmusik, die eher kompakt gestellt ist, von den Elektrostaten gleichfalls mehr Platz bekommt – manchmal dann auch zu viel davon.

Damit ist auch ausgelotet, wo die Koss ESP 950 ihre Domäne haben: Überall dort, wo natürliche Klänge, wo akustische Instrumente und filigrane Performance im Mittelpunkt stehen. Fetter Rock und dumpfer Hip-Hop sind ebenso wenig in ihnen zu Hause wie Synthesizer-Musik à la Jean Michel Jarre. In Teilen mag das auch daran liegen, dass die Koss Bassfrequenzen wie die übrigen Schallwellen sehr sensibel wieder gegeben. Oder anders ausgedrückt: Die Elektrostaten sind einfach zu schnell und zu ehrlich für dicke Akustik-Hose. Trotzdem – mit den Koss ESP 950 Musik zu erleben ist definitiv ein Genuss.

Spielkind

Da ich anfangs über die mitgelieferten Anschlusskabel frotzelte, musste natürlich das Standardwerk gegen hochwertige Cinch-Kabel getauscht werden. Das hatte Folgen auf zwei Ebenen:

Zum einen sind die Stecker hochwertigerer Kabel meist dicker – also mussten die Öffnungen für die Cinch-Buchsen in der Rückwand des Koss-Verstärkers ausgeweitet werden – auf 11 mm. Ich habe hierfür einen per Hand geführten HS-Bohrer verwendet.

Dann konnten die Kabel von Aqvox, Oelbach und Straight Wire angeschlossen und ausprobiert werden. Erstes Ergebnis: Hochwertige Kabel heben die Lautstärke an. Also leiser drehen.

Und schließlich zeigt sich, dass je nach Charakter des Kabels die Frequenzen modifiziert sind: Während Aqvox Cinch-Kabel ein noch feineres, aber auch neutraleres Klangbild schaffen, liefert Oelbach leicht angehobene Mitten und Straightwire einen angewärmten Klang. Der jeweilige Effekt lässt sich noch forcieren oder aber auch mildern, indem die USB-Kabel, die den DAC mit Signalen versorgen, getauscht werden.

Fazit

Die Koss ESP 950 sind erstaunliche Kopfhörer. Ihre Klangqualität steht in keinem Verhältnis zu ihrer qualitativen Anmutung, zumal mit Blick auf den Preis. Trotzdem sind sie jeden Cent wert, denn ihr Klang ist unangestrengt, überragend fein und detailliert gezeichnet. Sie sind als Amerikaner sehr britisch fair zu allen Frequenzen. Ihre Transparenz und Schnelligkeit geleiten die Musik lebendig und natürlich ans Ohr, insbesondere bei 24/96 Files, die ein Höchstmaß an Details liefern. Ihr geringes Gewicht von 285 Gramm tut ein übriges für den ungetrübten Langzeit-Genuss. Lediglich wer fette und harte Klänge liebt, wird von den Koss nicht hingerissen sein. Oder ihretwegen seinen Musikgeschmack ändern. Denn die Koss ESP 950 sind eine echte Empfehlung für audiophile Connaisseure, insbesondere bei ihrem Preis-Leistungs-Verhältnis.

Produktdaten

Hersteller:
_ Koss

Modell
_ ESP 950

Anschluss
_ 5-poliger Spezialstecker mit Kabel 1,2 m

Technische Daten
_ Over-Ear Kopfhörer
_ Elektrostaten
_ Frequenzgang 8 bis 35.000 Hz
_ Impedanz 100 Ω
_ Empfindlichkeit 104 dB
_ Klirrfaktor < 0,01 % _ Gewicht 285 gr Besonderheiten
_ zerlegbar

Lieferumfang
_ Transporttasche
_ Überkopfbügel
_ Kopfhörer mit Anschlusskabel 1,2 m
_ Verlängerungskabel 1,8 m
_ Anschlusskabel 3,5 mm / 3,5 mmm
_ Anschlusskabel 3,5 mm / Cinch r/l
_ Anschlusskabel Cinch r/l / Cinch r/l
_ Verstärker-Einheit
_ Netzteil
_ Batteriebox
_ Anleitung

EVP
_ 1.320,- Euro

Produkt-Website
_ Koss ESP 950

Bezug
_ Sound Magic


Abbildungen: Koss/HighResMac

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